Nach Möllemann geht die FDP den „sächsischen Weg“

Seit Jahren treffen sich die sächsischen Liberalen zum Reformationsparteitag. Morgen ist es wieder so weit, doch dieses Mal steht der Konvent unter anderen Vorzeichen. Ob sie will oder nicht, die Sachsen-FDP wird sich mit der Affäre um Jürgen Möllemann beschäftigen und mit der bangen Frage, was das heißt für sie im Freistaat. Vor allem Landeschef Holger Zastrow hat ein politisches Standortproblem. Lange Zeit erschien er als ausgewiesener Polit-Fan des Westfalen, lud den Umstrittenen gar im Sommer noch zur Bootstour ein, als bereits Antisemitismus-Vorwürfe kursierten.

Jetzt geht der Werbefachmann radikal auf Distanz – nicht nur zu Möllemann, aber vor allem. Sollten sich die Spendenvorwürfe bewahrheiten, meint der 33-Jährige Dresdner, „dann ist es ein Schlag ins Gesicht“ all derer, die einst hinter Möllemann standen; „die größte menschlich-politische Enttäuschung“. Und damit das auch die nötige Schlagkraft erhalte, scheut Zastrow sich nicht, gar den Parteiausschluss zu fordern. Das ist ehrlich gemeint und hat doch viel mit politischer Taktik zu tun. Denn die Querelen drohen Zastrow die eigene Linie zu verhageln. „Wir können nicht im Freistaat als Protestpartei gegen das System der Etablierten kämpfen, und auf Bundesebene gehören wir selbst dazu.“ Schon deshalb müsse ein schneller Schlussstrich gezogen werden unter die Affäre, um die „schwere Last“ von den Liberalen zu nehmen.

Dabei legt sich Zastrow nicht nur mit Möllemann, sondern mit der FDP-Bundesspitze rund um Guido Westerwelle an. Beispiel 18-Prozent-Partei: Schlicht „Größenwahn“ sei es gewesen, dieses Ziel im Wahlkampf auch für den Osten auszugeben. Und überhaupt habe die Bundespartei die Affäre Möllemann genutzt, um von „eigenen Fehlern“ abzulenken – die „katastrophale innere Kommunikation“ zum Beispiel.

Für Zastrow gibt es deshalb nur eine Konsequenz: „Wir gehen jetzt den sächsischen Weg.“ Nötig seien andere Themen und andere Leute, „nicht so glatt gebürstete“ wie jene im Bund. Schwerpunkte seien Bildung und Soziales, von Kinderkrippen bis zum Volksantrag Schule. Nur mit Eigenständigkeit hätte die Sachsen-FDP gute Chancen, den Wiedereinzug ins Landesparlament 2004 zu erreichen. „Irgend welchen Möchtegern-Führern“, lautet Zastrows Devise, „renne ich nicht hinterher“. [Autor: Jürgen Kochinke]

(Quelle: Leipziger Volkszeitung)

Datum: 20021030